Christine Häußler schließt einen Kreis mit Brecht

Im Rahmen eines bewegenden Brecht-Rezitationsabends kehrte Schauspielerin Christine Häußler ins Michelbacher Schloss zurück, wo sie vor Jahren als Leiterin der Theatergruppe des ESZM „ihr Thema“ gefunden hat.

Gut 80 Zuschauerinnen und Zuschauer waren am vergangenen Mittwoch zum Schlossforum in den Andachtsraum des Michelbacher Schlosses gekommen. Sie wurden empfangen von „Mackie Messer“, der wohl berühmtesten Brecht-Ballade, gespielt in einer virtuosen und rein perkussiven Version des jungen Schlagzeugers Jakob Stähle, der erst im vergangenen Jahr sein Abitur am Evangelischen Schulzentrum abgelegt hat. Die dieser beeindruckenden musikalischen Miniatur innewohnende Reduktion auf das Wesentliche zeigte sich auch auf der kleinen hölzernen Bühne: ein Tischlein, ein Stuhl. Nichts, was Augen und Ohren des Publikums von den großen Texten Bertolt Brechts ablenken sollte, die Christine Häußler differenziert und vielfältig rezitierte, las, sang, ja sogar tanzte.

Vorab formulierte sie ihren Anspruch, die Aktualität der Brechtschen Texte vermitteln zu wollen und mit Brecht der allgemeinen Gleichgültigkeit etwas entgegenzusetzen.

So verwundert es nicht, dass Brechts politisches Gedicht „An die Nachgeborenen“, eine bittere Analyse der „finsteren Zeiten“ und ein flammender Appell an die Menschlichkeit, den Rahmen bildete, in den sie ihre Textauswahl gestellt hat.

Dem ernsthaften Beginn folgten inhaltlich nicht weniger seriöse, jedoch köstlich humorvoll, derb oder lakonisch gefärbte politische Texte.

Großartig beispielsweise: „Ein Fisch mit Namen Fasch“, wobei Christine Häußler Brechts bissige Ironie mit ausdrucksstarker Mimik unterstrich. Jakob Stähle, der am Schlagzeug durch kurze Zwischenspiele die Übergänge gestaltete, übernahm in diesem Teil auch die Aufgaben eines Geräuschemachers und brachte auf den Punkt Hufgetrappel, Türknarzen und Metzgerbeil zu Gehör.

Brecht provoziert Lacher, die im Halse stecken bleiben, und Christine Häußler beherrscht es, durch ihre Präsenz diese Brüche, oft mit minimalen, präzisen Gesten und Haltungswechseln, zu markieren.

Sehr ernsthaft und anrührend stand im Zentrum des zweiten Teils, der – beginnend mit „die Maske des Bösen“ – sich mit düsteren und traurigen Texten über die Unmöglichkeit des Guten in einer schlechten Welt befasste, die Ballade vom Kinderkreuzzug.

Das Publikum war bewegt von der Ruhe, mit der Christine Häußler vortrug und im Saal herrschte gespannte und betroffene Stille. Beeindruckend, wie mühelos die Schauspielerin es schaffte, einen stimmigen Übergang zu Texten und Songs herzustellen, die sich nun mit teils ironischer Heiterkeit mit dem Seelenleben der verschiedenen Protagonisten befassten, um davon ausgehend zu den kleinen und größeren Freuden und Sorgen der Liebe zu gelangen, ja zu tanzen.

Mit dem letzten Teil von „an die Nachgeborenen“, den Brecht im Futur formuliert hat, schloss sich der Kreis so gewissermaßen mit einem Blick ins Publikum, das den Vortrag mit stürmischem Applaus belohnte.

Dass Brechts Texte und der Transport ihrer Aussagen in die Gegenwart Christiane Häußlers „eigenes Thema“ ist, ist an diesem Abend klar geworden. Abschließend erklärte sie, dass sie mit diesem Auftritt in Michelbach an den Ort zurückgekehrt sei, wo sie dieses Thema vor Jahren in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in der Theatergruppe des Evangelischen Schulzentrums für sich entdeckt hätte.