Das haben zumindest die Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Schulzentrums in Michelbach ermittelt. Um abschätzen zu können, wie viele Schwalben im Ort leben, haben sie kurz vor den Sommerferien systematisch alle Hausfassaden und Ställe nach Nestern abgesucht. Beteiligt daran waren sowohl die diesjährigen Biologie-Abiturienten als auch Schüler des NaTuR-Profils. In Michelbach fanden sie sowohl Nester der Rauchschwalbe als auch der Mehlschwalbe, die sie nach einer ersten Einführungsexkursion mit ihrem Biologielehrer Volker Mauss problemlos unterscheiden konnten. Beide Arten sind typische Kulturfolger und daher sehr gut geeignet, um die Bedeutung der Agrarlandschaft für viele heimische Tierarten zu verstehen.
Rauchschwalben nisten in Viehställen. In Michelbach sind sie nur noch im letzten verbliebenen Milchviehbetrieb, dem Bioland-Hof der Familie Maas zu finden. Im Stall haben die Schüler 25 Nester gezählt. Da Schwalben paarweise brüten und sich um ihre Jungen kümmern, kann hier also von einem Bestand von 50 Elterntieren ausgegangen werden.
Mehlschwalben errichten ihre kunstvollen, bis auf das Einflugloch komplett geschlossenen Lehmnester außen an Hauswänden, unmittelbar unter regengeschützten Dach- oder Mauervorsprüngen. Die Kartierer-Teams entdeckten 109 bewohnte Nester an 19 Gebäuden. Dabei zeigte sich eine starke Häufung der Nester im alten Dorfzentrum entlang der Kirchstraße. „In den neuen Wohnsiedlungen gibt es nur dort Mehlschwalben, wo die Hausbesitzer künstliche Nisthilfen am Haus angebracht haben“, bemerkten Suvi und Cleo. Offensichtlich fehlt es in den Siedlungen an offenen Bodenstellen mit Pfützen, an denen die Schwalben genügend Lehmmatsch sammeln können, um damit Naturnester zu bauen. Den gibt es reichlich im Auslaufbereich vor dem Viehstall an der Kirchstraße, so dass die Schwalben hier ihre Nester viel leichter errichten können. „Ein zweiter sehr wichtiger Aspekt“, so Luca, „ist natürlich, dass es am Stall sehr viele Insekten gibt. Als Insektenfresser sind die Schwalben auf eine große Menge an Fluginsekten angewiesen, sowohl für sich selbst als auch für die Aufzucht ihrer Jungen, und die finden sie vor allem dort, wo Vieh gehalten wird“. Tatsächlich ist die Zahl der Insekten inzwischen über konventionell bewirtschafteten Ackerflächen gering, so dass die Schwalben auf das reichliche Insektenangebot extensiv bewirtschafteter Wiesen und Weiden angewiesen sind. Ohne Viehhaltung, würde also ein erheblicher Teil der Biodiversität in der Kulturlandschaft verloren gehen, inklusive der Schwalben. Bei ausreichender Versorgung mit Insekten zieht ein Rauchschwalbenpaar meist zwei Bruten groß, so dass sie in einem Jahr durchschnittlich etwa 7 Jungvögel erzeugen können. Bei den Mehlschwalben sind es mit 4,5 Jungvögeln pro Paar deutlich weniger. Jetzt, am Ende des Sommers, kann man also davon ausgehen, dass sich aus Michelbach in den nächsten Tagen neben den Elterntieren etwa 175 junge Rauchschwalben und 490 junge Mehlschwalben auf ihre erste Reise in die Winterquartiere begeben werden: Sie fliegen dabei bis nach Südafrika – eine Strecke von 10000km! Wie viele von ihnen im nächsten Jahr wieder nach Michelbach zurückkehren werden ist schwer zu sagen. Beringungen haben gezeigt, dass zwischen 7-30 % der Schwalben wieder am Geburtsort erscheinen. „Vielleicht könnten wir für die Rückkehrer bis dahin ja Nisthilfen am ESZM aufhängen“, überlegen einige NaTuR-Profiler, „das wäre doch ein aktiver Beitrag unserer Schule zum Naturschutz“.


Blogfoto: Junge Rauchschwalben kurz nachdem sie das Nest verlassen haben.