Theaterbesuche in Coronazeiten? Fehlanzeige. Leider war es nun seit einem Jahr nicht möglich, die Dramen, die im Unterricht gelesen werden, dann auch wirklich live und in Szene zu sehen. Die Münchner Kammerspiele halten dagegen und haben neben ihrem beeindruckenden Streaming-Programm auch ein Format für Schülerinnen und Schüler geschaffen, auf das sich der Deutsch-Basiskurs aus der KS 2 zusammen mit seiner Lehrerin am Dienstag eingelassen hat: Faust ist Sternchenthema. Faust ist 4614 Verse. Faust ist alt. Faust ist aber in der Interpretation der Münchner Performance „Yung Faust“ vor allem auch bunt, laut, und ein Teil von dieser oder jener Kraft in jedem und jeder von uns.
In der anderthalbstündigen Zoom-Sitzung forderte Theaterpädagogin Elke Bauer die Teilnehmer deshalb zunächst zur Namensänderung auf und aus Laura, Justus, Chongjun, Frida, David, Xenia, Hannes, Ben, Sebastian, Zirui, Joana, Aurelia und Frau Völk wurden Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust, Faust und Faust.
So anonymisiert ging es im Chat gleich an die großen (Gretchen-)fragen: Worum hast du gewettet? Wann spürst du dich? Was ist dein perfekter Augenblick? Warum hast du einen Freund im Stich gelassen? Und natürlich: Wie hast du’s mit der …. ja genau!
Das eigentliche Stück, „Yung Faust“, das eine radikale Reduktion des Goethetexts bietet, frei vom „schwachen, unzeitgemäßen“ Gretchen, frei von Mephisto-Klamauk, ganz konzentriert auf die Titelfigur, gab es dann in Ausschnitten als Video. Eine andere Rolle, so die Theaterpädagogin zur Konzeption, wollte keiner der drei Schauspieler übernehmen. Aber Faust ist vielfach und so gab es durchaus Konflikte, Beziehungen und schillernde Figuren zu sehen. Außerdem ein bedeutungsschwangeres Bühnenbild mit Brunnen und Pfützen, kurz die überströmenden Wasser des Lebens, inmitten derer patschnass geprügelt und geknutscht wurde. Das Ganze zur Musik eines skurrilen Transgretchens am Keyboard.
Das ist – klar – erst einmal verwirrend. „Mal was anderes“ und „bissle seltsam“ – äußerten die Schülerinnen und Schüler, die nun im Hinblick auf die Abiprüfung sehen müssen, was sie mit den „teilweise verstörenden“ Eindrücken machen. Vielleicht ist es aber auch dafür ganz wertvoll, angesichts dieses Stückes einmal „völlig lost“ zu sein, neu zu denken und neben die Gretchen- auch ein paar Faustfragen zu stellen.
(Annika Völk)