Dr. Rainer Schoch begeistert beim Michelbacher Schlossforum mit tiefen Einblicken in die Fauna des Lettenkeupers
Eines wurde gleich zu Beginn des Vortrages von Dr. Schoch im bis auf den letzten Platz besetzten Andachtsraum des Michelbacher Schlosses deutlich: Um in der paläontologischen Forschung erfolgreich zu sein, braucht es ein ganzes Team. Nicht nur einen begeisterten und hochprofunden Kenner der urzeitlichen Welten, wie den Referenten, sondern auch versierte Präparatoren, die feinste Knochen in oft monatelanger Feinarbeit aus dem umgebenden Gestein herauspräparieren, zahlreiche sachkundige Helfer bei den Grabungen sowie private Sammler, die ihre Fundstücke einer wissenschaftlichen Bearbeitung zuführen. Letztere sind in Hall im Geologischen Arbeitskreis bei der Volkshochschule Schwäbisch Hall organisiert und ergänzten die Veranstaltung mit einer kleinen Ausstellung besonderer Fundstücke aus der Region, die vom Publikum mit großem Interesse aufgenommen wurde.
Schochs Ausführungen hatten einen klaren regionalen Bezug, hat unsere Gegend doch Fossilienlagerstätten zu bieten, die weltweiten Bekanntheitsgrad erlangt haben. Maßgeblich daran beteiligt sind beispielsweise Funde des Mastodonsaurus aus Kupferzell, die nicht nur in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt haben, sondern in Schochs Wirkungsstätte, dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, gewiss eine der Attraktionen darstellen. Dass es sich bei diesen über fünf Meter langen, krokodilähnlichen Dachschädlern tatsächlich um die größten Amphibien handelt, die jemals auf der Erde gelebt haben, lässt sich an den auffälligen Sinneslinienkanälen auf dem Kopf erkennen, wie Schoch anschaulich mit aussagekräftigem Bildmaterial untermauerte. Die Lebenszeit der behandelten Urtiere – allgemein bekannt als Trias und somit die älteste Periode des Mesozoikums – kann gewissermaßen als die Phase vor den Dinosauriern gelten. Folglich haben wir oft Amphibien vor uns, die vordergründig zwar Dinosauriern ähneln, streng genommen jedoch keine sind. Hierzu zählt der nur wenige hundert Meter vom ESZM im damaligen Michelbacher Baugebiet Leitenäcker entdeckte Trematolestes hagdorni. Daneben bevölkerten vor etwa 240 Millionen Jahren aber auch schon Reptilien unsere Landstriche, wie der aus der Verwandtschaft der Krokodile stammende „Lurchschlächter“ Batrachotomus. Dieses Tier war so gewaltig, dass es sogar den Mastodonsaurus fressen konnte, was durch feine Riffelungen auf manchen Lurchknochen belegt wird, die exakt zu den gewellten Zahnrändern dieses Scheinkrokodils passen. Nach und nach entwarf Rainer Schoch so ein vielfältiges Bild des Ökosystems im Uferbereich des damaligen Vellberger Sees, in dessen Ablagerungen er schließlich auch auf die Überreste desjenigen Tieres stieß, das als die bislang älteste Schildkröte der Welt gelten darf. Pappochelys rosinae – benannt nach der Präparatorin, die ihre Knochen freilegte – war ihrer Lebensform nach eine kleine Echse mit kräftigem Rumpf, weist aber neben charakteristisch verbreiterten Rippen noch eine Reihe weiterer anatomischer Merkmale auf, die sie eindeutig als Schildkröte ausweisen. Eine Weltsensation, belegt der Fund doch eindrucksvoll die Abstammung der Schildkröten von den Echsen. Im Anschluss an den Vortrag diskutierte das begeisterte Publikum noch intensiv mit dem Referenten, der dabei unter anderem damit zu verblüffen wusste, wie man die Temperatur im Mund von über 200 Millionen Jahre alten Fossilien messen kann, um herauszufinden ob sie wechsel- oder gleichwarm waren: Darüber gibt nämlich das Verhältnis bestimmter Sauerstoffisotope in den Zähnen Aufschluss. Auch andere Hightech-Methoden wie CT-Scans der Funde und die daraus abgeleitete 3D-Rekonstruktion der Skelettelemente haben längst Einzug in die Paläontologie gehalten und erweitern unser Wissen über die Lebewesen, die unseren Planeten einst beherrschten, beträchtlich.