„Wie eine eins…“ ‒ Abiturienten glänzen beim Vorspiel in Michelbach

Das öffentliche Vorspiel der diesjährigen Abiturienten im Fach Musik zog das Publikum, darunter viele Verwandte, Freunde und Lehrer der Examenskandidaten, im gut gefüllten Andachtsraum des Michelbacher Schlosses in seinen Bann. Die Besucher erlebten ein sehr abwechslungsreiches Programm, getragen von einer Stimmung konzentrierter Anspannung und jugendlicher Euphorie. Erstmals spielten die Schüler des Evangelischen Schulzentrums bei diesem Konzert, das als Generalprobe vor den fachpraktischen Prüfungen dient, ihr komplettes Prüfungsrepertoire, also neben selbst gewählten Lieblingsstücken auch ein Pflichtstück, dass ihnen erst acht Wochen vor dem Prüfungstermin bekannt gegeben wurde.

Nach einer selbst arrangierten gemeinsamen Eingangsmusik aller Kursteilnehmer, demonstrierte zuerst Ramona Latzel die hohe Qualität ihres Klarinettenspiels, das gerade auch dort erkennbar wurde, wo von ihr ein besonders sauberer, leiser Ton gefordert war. Nach zwei Sätzen eines Klarinettenkonzerts von Carl Stamitz und der „Sonatina for Clarinet and Piano“ Opus 29 von Malcom Arnold, beides in Begleitung von Ralf Schneider am Klavier, begeisterte sie solo mit dem anspruchsvollen zeitgenössischen Stück „Round and Round“ von James Rae. Danach präsentierte mit Xiaoxian Jiang der erste chinesische Gastschüler, der bisher überhaupt am ESZM Musik als Leistungsfach belegt hat, sein Können. Als er vor zweieinhalb Jahren ins Internat nach Michelbach kam, galt seine musikalische Leidenschaft eigentlich nur noch dem E-Bass, den er aber mit Blick auf die Prüfungsanforderungen um das Klavier erweitert hat ‒ ein Instrument, an dem er als Kind bereits fünf Jahre lang in China unterrichtet worden war. Die Früchte seiner intensiven Arbeit konnten sich wirklich hören lassen und so überzeugte der junge Pianist mit einer Nocturne von Chopin, dem f-Moll Präludium von J.S. Bach und dem Allegro aus „Pathétique“ von Beethoven am Konzertflügel.

„Wenn Mia Pölzelbauer die Geige spielt, kommt es mir immer so vor, als sei sie ein ganz anderer Mensch“, so Kursleiterin Bärbel Saknus, die auch für die Moderation des Abends verantwortlich zeichnete. Die junge Violinistin, die bereits seit der Mittelstufe regelmäßig im Landesjugendorchesters Baden-Württemberg spielt und mit einer Karriere als Musikerin liebäugelt, hatte sich, neben zwei Sätzen einer Violinsonate von Händel, mit dem 1. Satz aus dem Violinkonzert in e-Moll von Mendelssohn-Bartholdy eine besondere Herausforderung gesucht, die sie mit Bravour absolvierte. Souverän begleitet von Ralf Schneider am Klavier meisterte sie virtuos das technisch anspruchsvolle Stück, wofür sie vom Publikum mit stürmischem Applaus gefeiert wurde.

Nach der Pause folgte Gesang von Katharina Wiegel, begleitet von Ralf Schneider, die das Publikum nach dem Ave Maria von Luigi Cherubini mit „Speechless“ aus dem Musical Aladdin und „Youkali“ von Kurt Weill blendend unterhielt. Abschließend ging es mit Samuel Nguyen erneut an den Flügel zurück. Er hat bereits in frühester Kindheit, auf dem Schoß seiner älteren Schwestern sitzend, mit dem Klavierspiel begonnen und präsentierte zunächst ein Menuett von Beethoven und den 2. Satz der 2. Klaviersonate von Robert Schumann. Als letztes hatte er mit der 1. Klaviersonate von Prokofjev ein Stück ausgewählt, das dieser bereits als Jugendlicher komponiert hatte ‒ Musik eines Achtzehnjährigen gespielt von einem Achtzehnjährigen, dem es vortrefflich gelang sowohl den hohen technischen Anforderungen als auch der emotionalen Intensität und Differenziertheit des Stückes gerecht zu werden. Nach so viel musikalischer Hochkultur entließ der gesamte Musikkurs das restlos begeisterte Publikum sehr geerdet mit dem Ohrwurm aus den gemeinsamen Unterrichtspausen der vergangenen zwei Schuljahre ‒ „Griechischer Wein“ zum Mitsingen für alle, die danach „berauscht“ in die Michelbacher Nacht entlassen wurden. Abschließend bleibt zu erwähnen, dass die folgenden fachpraktischen Abiturprüfungen offenbarten, was alle nach diesem fulminanten Abend im Andachtsraum bereits ahnten ‒ sämtliche Prüfungsleistungen waren im sehr guten Bereich, eben alle „wie eine eins!“

Volker Mauss

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